Die Kunst der Osterinsel, Copyright

Holzarten

Aufgrund der artenarmen Flora der Osterinsel lassen sich die für die Schnitzereien verwendeten Holzarten an den Fingern einer Hand abzählen. Man unterscheidet hierbei die Gruppe der Idiochore (Arten, die ohne Zutun des Menschens auf die Osterinsel gelangt sind) sowie die Gruppe der Anthropochore (Arten die mit den Menschen auf die Insel gelangt sind). Letzterer Bereich unterteilt sich zudem in die Gruppen vor und nach der Entdeckung Rapa Nuis durch die Europäer (im Jahre 1722). Kann man die Holzart eines Kunstgegenstandes bestimmen, so ist in bestimmten Fällen aufgrund der obengenannten Klassifizierung bereits eine erste grobe Alterbestimmung möglich.
Nachfolgend möchte ich die wichtigsten, für die Schnitzereien der Osterinsel verwendeten Holzarten vorstellen.

Toromiro, Copyright www.karsten-rau.de
Das filigrane Blattwerk des Toromirobaums (Sophora toromiro)


Toromiro (Sophora toromiro)

Der zu den Idiochoren gehörende und in der freien Natur ausgestorbene Toromiro ist die wohl bekannteste Holzart der Osterinsel, weil viele der alten Holzschnitzereien aus dem 18. und 19. Jahrhundert aus diesem extrem harten Holz gearbeitet sind. Dieser Schmetterlingsblütler ist eine auf der Osterinsel endemische Art, deren nächste Verwandte, Sophora microphylla auf dem chilenischen Festland beheimatet sind.

Toromiro, Copyright Karsten Rau (www.karsten-rau.de)
Prächtiges Exemplar eines Toromirobaums im Botanischen Garten in Bonn


Toromiro gilt auf Rapa Nui seit den 60er Jahren als ausgestorben. Die wahrscheinlich letzte Pflanze entdeckte Thor Heyerdahl während seiner Expedition im Jahre 1955/56 im inneren Kraterrand des Rano Kau. Er sammelte einige Samen dieses Strauches und übergab sie 1958 dem Botanischen Garten Göteborg , wo sie erfolgreich kultiviert wurden. Mehrere Versuche einer Rücksiedlung scheiterten allerdings bis zum heutigen Tag, was einerseits an die in neuerer Zeit auf die Insel gelangten Pflanzenschädlinge, und andererseits an der Tatsache liegen kann, daß es sich bei allen Setzlingen um die Nachkommen einer einzigen Mutterpflanze handelt.
Neben den Toromiro- Pflanzen in Göteborg existieren auch noch Exemplare in den botanischen Gärten von Kew (UK) und in Bonn. Wer also in der Nähe von Köln/Bonn wohnt, sollte unbedingt mal im Botanischen Garten der Universität vorbeischauen (bevorzugt im Frühjahr, wenn der Toromiro blüht). Ich selbst ließ es mir im Sommer 2006 nicht nehmen, während eines Besuchs bei meinem Bruder in Bonn einen Abstecher in den Botanischen Garten zu unternehmen, um endlich einmal einen live-haftigen Toromirobaum bewundern zu können. Die Dame an der Kasse konnte mir zwar bzgl. des Standortes der Toromirokulturen nicht weiterhelfen, verwies uns aber umgehend an einen der Guides. Dieser führte uns zielstrebig zu zwei prächtigen Exemplaren, die versteckt zwischen zahllosen anderen Pflanzen ohne Hilfe kaum zu finden gewesen wären. Der Guide erklärte mir, daß dieser unauffällige Standort bewusst gewählt wurde, um allzu großes Publikumsinteresse und - damit verbunden - die möglichen, negativen Einflüsse auf die Pflanzen (bis hin zu einem denkbaren Diebstahl) zu minimieren.



Mako'i (Thespesia populnea)

Der Mako'i- Baum war bereits vor 1722 auf der Osterinsel beheimatet. Einige Forscher behaupten sogar, daß man Thespesia populnea durchaus zu den Idiochoren zählen könnte. Die früher auf Rapa Nui sehr seltene Art wird heute im Raum Hanga Roa angepflanzt und ist deshalb wieder häufiger anzutreffen.
Makoi ist ein im Pazifikraum weit verbreiteter Baum, und so findet man ihn auf nahezu allen Südseeinseln. Das Foto rechts wurde z.B. auf Maui, Hawaii aufgenommen.
Unter den Schnitzern der Osterinsel ist Mako'i aufgrund seiner Härte und der schönen Maserung sehr beliebt, zumal er eben schon vor dem Einfluss der Europäer auf der Insel wuchs. Der Holzkern hebt sich mit seiner herrlichen, dunkelbraunen Farbe von den hellen äußeren Schichten ab, was die Schnitzer geschickt für ihre Figuren zu nutzen wissen.
Makoi gehört neben Miro pupu zu den hochwertigsten Hölzern der Insel.

blühender Mako'i - Baum
Foto mit freundlicher Genehmigung von Forest & Kim Starr


Miro pupu (Acacia macracantha)

Ein im modernen Kunstschaffen der Osterinsel sehr beliebtes Holz. Gehört zur Gruppe der Anthropochore, wurde also erst nach der Entdeckung durch die Europäer auf die Insel gebracht. Miro pupu ist eine Akazienart, die man hauptsächlich in den Andenstaaten wie Peru, Ecuador oder Chile findet.


Miro tahiti (Melia azedarach)

Aus dem Holz des im Pazifikraum weit verbreiteten Miro tahiti werden ein Großteil der Schnitzereien für die Souvenirläden angefertigt, vorallem weil es für den Künstler recht günstig zu bekommen ist. Aber auch besonders große Skulpturen profitieren von seinen teils stattlichen Stammdurchmessern. So wurde z.B. der auferstandene Christus (Ko Yetu Oramai), der heute in der Kathedrale von Maipú steht, aus Miro tahiti gefertigt. Auch einige größere Holzskulpturen in der Iglesia de la Santa Cruz in Hanga Roa wurden aus diesem Holz geschnitzt.
Miro tahiti gehört ebenfalls zu den Anthropochore, war also vor 1722 nicht auf der Insel beheimatet.

Miro tahiti
Foto mit freundlicher Genehmigung von Forest & Kim Starr



Kunstliteratur

Leider findet der Kunstinteressierte nahezu keine aktuellen Fachbücher, die sich ausführlich mit dem Kunstwesen der Osterinsel befassen, und so ist man gezwungen sich auf die Suche nach einigen älteren Ausgaben zu machen. Die in der Regel mageren Kunstrubriken der Reiseführer erlauben zwar einen ersten Überblick, wer allerdings tiefer in die Materie einsteigen möchte, wird alleine damit nicht glücklich werden.
Nachfolgend möchte ich dem Interessierten die wichtigsten Kunstführer vorstellen, und wo möglich Tipps zur Beschaffung der in der Regel nicht mehr im Handel erhältlichen Ausgaben geben.

The Art of Easter Island
The Art of Easter Island von Thor Heyerdahl
ISBN 0-385-04716-9 / letzte Auflage ca. 1975

Zweifelsohne die "Bibel", was die Kunstgeschichte der Osterinsel betrifft. Doch auch die Ausmaße des Buches mit knapp 700 Seiten und drei Kilogramm Gewicht sind wahrlich "biblisch" und sprengen die üblichen Buchdimensionen.
Neben einen umfassenden, geschichtlichen Abriss werden die einzelnen Kunsttypen aus Stein und Holz ausführlich beschrieben. Das eigentliche Highlight sind aber die gut 300 Seiten mit SW-Fotografien zahlloser, teils nur in diesem Buch abgebildeter Kunstgegenstände der Insel. Der Umfang dieser Sammlung ist wirklich einmalig und stellt zweifelsohne eines der umfassendsten Kompendien über die Kunstgeschichte Rapa Nuis dar.


Gut erhaltene Ausgaben sind heute leider schwer zu finden, bzw. sehr teuer. Und so muss man für ein Exemplar in guter bis sehr gute Qualität mit ca. 70 bis 150 US$ rechnen. Ich selbst habe z.B. meine Ausgabe über einen Buchhandel in den USA erworben. Zwei Wochen später hielt ich sie bereits in meinen Händen.
Eine sehr gute Quelle ist hierbei Amazon.de oder noch besser Amazon.com. Speziell bei letzterem findet man immer wieder einmal gebrauchte Ausgaben in einer vernünftigen Qualität zu einem relativ günstigen Preis.


Geheimnisvolle Kultur der Osterinsel (Weltbildverlag)
ISBN 3-89350-723-X / letzte Auflage ca. 1993

Halte ich persönlich für eines der besten Bücher über die Kunst der Osterinsel. Kann ich wirklich uneingeschränkt weiterempfehlen. Im Textteil wird in zahllosen Gastbeiträgen ein umfassendes Hintergrundwissen vermittelt. Der daran anschließende Katalog beinhaltet auf 150 Seiten viele qualitativ hochwertige und großteils farbige Fotografien von Kunstgegenständen mit Schwerpunkt Holzschnitzereien. Die einzelnen Kategorien werden ausführlich erläutert. Abschließend gibt es noch einen kurzen Abriss über das gegenwärtige, moderne Kunstschaffen Rapa Nuis. Und das Beste zum Schluss: Das Buch ist in Deutsch geschrieben. ;-)


Gebrauchte Exemplare bekommt man noch relativ problemlos bei den Online- Buchhandlungen wie z.B. bei Amazon.de. Für eine gut erhaltene Ausgabe muss mit mit ca. 10 bis 20 Euro rechnen.


Splendid Isolation - Art of Easter Island (The Metropolitan Museum of Art)
ISBN 1-58839-011-X / 1. Auflage 2001

Dieser Katalog begleitete eine gleichnamige Ausstellung im Metropolitan Museum of Art in New York, die dort zwischen Dezember 2001 und August 2002 stattgefunden hatte. Der Bildband ist aufgrund des Ausgabejahres der derzeit aktuellste und fotografisch hochwertigste Kunstführer über die Osterinsel. Sicherlich eine sehr gute Möglichkeit, um sich einen Überblick über das Kunstspektrum Rapa Nuis zu verschaffen. Da der 80-seitige Katalog allerdings nur die Exponate der Ausstellung beschreibt, ist er nicht wirklich vollständig. Dennoch stellt das Buch alleine schon wegen der hervorragenden Fotografien eine lohnende Anschaffung dar.


Sowohl neue als auch gebrauchte Exemplare bekommt man derzeit noch relativ problemlos bei den Online-Stores, wie z.B. unter Amazon.de. Kosten: zwischen 10 und 20 Euro.


Oceanic Art von Anthony JP Meyer
ISBN 3-89508-080-2 / 1. Auflage 1995

Als ich zum ersten Mal Thor Heyerdahls "The Art of Easter Island" auf den Tisch wuchtete, war ich mir sicher, daß dieser Wälzer größenmäßig wohl nicht mehr zu toppen wäre. Doch weit gefehlt! Anthony Meyer's Bildband "Oceanic Art" setzt da doch tatsächlich noch eins drauf. Stattliche 4 (!) Kilogramm verteilt auf 640 Seiten bringt der Dickmann auf die Waage.
Meyer's Kunstführer ist das unbestrittene Kompendium in Sachen Ozeanische Kunst und Pflichtlektüre für alle Freunde des polynesischen, ozeanischen und melanesischen Kunstwesens. Auch bzgl. der Qualität der Fotografien und des Drucks setzt das Buch Maßstäbe. Rapa Nui wird zwar "nur" auf 10 Seiten behandelt, allerdings würde eine umfassendere Abhandlung der einzelnen Inselgruppen ganz einfach den Rahmen dieses Kunstführers sprengen. Die informativen Begleittexte sind dreisprachig verfasst (Englisch, Deutsch, Französisch).


Für all diejenigen, die sich umfassend mit der ozeanischen Kunst beschäftigen möchten, kann ich Meyer's Kompendium wärmstens empfehlen, zumal das Buch in schlechten Zeiten auch einen hervorragenden Brennholzersatz abgeben würde. :-))
Sowohl neue als auch gebrauchte Exemplare bekommt man derzeit noch relativ problemlos bei den Online-Stores, wie z.B. unter Amazon.de. Kosten: zwischen 30 und 50 Euro.


Links

Abschließend möchte ich Euch noch einige interessante Links zum Kunstwesen der Osterinsel vorstellen, auf die ich im Laufe meiner Recherche zu diesem Bericht gestossen bin.

Galerien und Museen

Museo Antropologico P. Sebastian Englert
Website des Kunstmuseums in Hanga Roa, Rapa Nui mit vielen exquisiten Exponaten.
www.insecula.com
Rapa Nui-Ausstellung im Louvre Museum, Paris (4 hochwertige Fotos von Moai Kavakava, Tangata sowie einem Rei Miro).
Alan Steele Gallery
Kunstgalerie mit teils interessanten Exponaten der ozeanischen Kunst (Button "Exhibition"). Der Moai Kavakava auf der Startseite (anklicken für ein größeres Foto!) ist relativ bekannt und zweifelsohne eines der schönsten Exemplare des Kavakava-Typus.

Auktionen

Sotheby's New York
Ein exquisites Exemplar eines Rapa Tanzpaddels wurde bei Sotheby's für schlappe 423.000 US$ versteigert. Eine Moai Kavakava- Figur kam für knapp 160.000 US$ unter den Hammer.
Auktion Nov. 2001, Sotheby's New York
In einer umfangreichen Auktion ozeanischer Kunst wurde umter anderem ein Moai Kavakava für 192.000 US$ versteigert, der höchste erzielte Preis der gesamten Auktion.

Auktion Sep. 2002, Sotheby's Paris
Bei einer weiteren Auktion von ozeanischer und afrikanischer Kunst in Paris wurde ein Moai Pa'a pa'a für unglaubliche 533.750 Euro versteigert. Ein Moai tangata kam für 313.750 Euro unter den Hammer.


Sonstige

Easter Island and its Mysteries
Der ausführliche, kunstrelevante Abschnitt des Buches L'Ile de Paques et ses Mystères von Dr. Stéphen Chauvet, übersetzt von Ann M. Altman.
Easter Island Foundation
Eine der besten und umfangreichsten Seiten über Rapa Nui, mit vielen Infos auch zum Kunstschaffen der Osterinsel.


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Copyright 1999-2005   Karsten Rau   Letzte Änderung:   03. Nov. 2005